Einmal im Jahr verwandelt sich Cannes in eine Bühne der Filmwelt. Die Côte d’Azur glänzt, nicht nur im Licht der frühen Sonne, sondern vom Glanz derer, die gekommen sind, um Filme zu zeigen, Filme zu finden – und vor allem, um gesehen zu werden.
Ich sitze in einem kleinen Straßencafé, nur wenige Schritte entfernt von der Croisette. Vor mir ein starker Café, dampfend, fast zu bitter. Neben mir ein halbes Croissant. Und vor mir: das Schauspiel des Morgens.
Frauen in Abendkleidern, die über die Kopfsteinpflaster laufen – in Sneakers. Die Stilettos kommen später, wenn der Tag zur Nacht wird. Männer mit offenen Hemdkrägen, das Smoking-Jackett locker über der Schulter. Dazwischen Menschen mit Lanyards, an denen Badges baumeln: Market, Festival, Press. Manche eilen zu Screenings, andere sitzen wie ich – in der Sonne, für einen Moment der Ruhe zwischen all den Terminen, Empfängen und Premierenfeiern.
Cannes ist Filmfestival und Filmmarkt, Mythos und Mechanismus. Hinter den Kulissen der großen Premieren wird getuschelt und gehofft: auf den nächsten Coup, auf internationale Anerkennung, auf einen Verksuf, den Start einer großen Festivaltour. Filmemacher:innen präsentieren Teaser, suchen nach Finanzierung, nach einem/r internationalen Co-Produz:in, einer Weltvertriebsfirma oder einem Verleih. Produzent:innen wälzen Kalender, rechnen Förderungen hoch, jonglieren Termine und Abends Parties. Ja die gehören auch dazu sowie sehr sehr viel Rose.
Zwischen den dunklen Kinosälen – in denen Stille manchmal mehr sagt als Applaus – und der lärmenden Croisette liegt ein Kosmos aus Gesprächen, Hoffnungen, Strategien. Es ist ein Ort des Netzwerkens, aber auch ein Ort der Geschichten. Manchmal entdeckt man sie auf der Leinwand, manchmal am Kaffeetisch. Cannes ist weniger Glamour, als viele denken – und mehr Arbeit, als man von außen sieht.
Ich bin hier, um Filme zu suchen. Jetzt schon. Obwohl erst in wenigen Tagen das Festival dieses Jahr beginnt – für die Dokumentale 2026. Filme, die gerade erst fertiggestellt wurden oder im Fertigwerden sind. Geschichten, die noch niemand kennt, aber die erzählt werden müssen. Im Strom des Festivals gehe ich nicht unter, aber lasse mich treiben – von Begegnung zu Begegnung, von Screening zu Screening.
Denn zwischen all dem Glanz bleibt eine Wahrheit: Für viele der 15.000 Akkreditierten ist Cannes kein Urlaubsort. Es ist Arbeitsplatz, Laufsteg, Bühne, Backstage. Ein Ort, an dem Träume entstehen – und manchmal auch real werden.