München im Mai. Die Sonne scheint großzügig auf die Stadt, die Gespräche sind konzentriert, der Kaffee stark. Es ist DOK.fest-Zeit – für viele das Herzstück des dokumentarischen Frühjahrs. Und mittendrin das DOK.forum: Branchentreff, Denklabor und Möglichkeitsraum. Ich war eingeladen, zwei Panels zu moderieren. Eine intensive, inspirierende Erfahrung – und eine Begegnung mit alten Freund*innen, neuen Kolleg*innen und vielen klugen Stimmen.
Paul Rieth hatte gemeinsam mit Ingrid Huebscher (Doc Campus) und Beran Erdogan (DOK.forum) ein Programm auf die Beine gestellt, das internationale Perspektiven mit konkreten Fragen verband. Keine reinen Buzzword-Bingos, sondern echte Auseinandersetzungen: mit Finanzierung jenseits der Fördertöpfe, mit neuen Vertriebswegen – aber auch mit der Verantwortung, die dokumentarisches Erzählen mit sich bringt.
Geld, Sichtbarkeit und die Sache mit der Wirkung
Auf dem Panel „Funding outside the box“ erzählten Expert*innen von Crowdfunding, Impact-Investments und Partnerschaften mit Unternehmen und Stiftungen und davon, wie man diese auch „erziehen" muss. Es ging um kreative Finanzierungsmodelle, aber auch um Klarheit: Was wird versprochen, was bleibt vom Projekt übrig, wenn man sich an Dritte bindet? „Wenn man mit Firmen arbeitet, muss man genau wissen, was man ihnen gibt – und was nicht“, hieß es. Und: Crowdfunding lebt – aber es ist Arbeit. Viel Arbeit. Aber es hilft gleichzeitig eine nachhaltige Audience frühzeitig aufzubauen.
Später am Tag stand der Wandel in der Veröffentlichung von Filmen im Zentrum. Klassische Verwertungslogik war gestern, heute braucht es neue Strategien. Ein großes Thema war dabei YouTube – nicht als Notlösung, sondern als ernstzunehmende Plattform mit beachtlicher Reichweite und langfristigem Einkommenspotenzial. Voraussetzung: Der Film muss „advertisement-friendly“ sein – also Inhalte bieten, die „Day-Content" sind. Kurzgesagt nicht zu viel nackte Haut, Waffen und Tote. Dann, so Anouk van Dijk, könne YouTube tatsächlich nachhaltige Einnahmen generieren.
Verantwortung vor und hinter der Kamera
Im zweiten Teil ging es in die Tiefe – emotional, ethisch, menschlich. Um die Beziehung zwischen Protagnist*innen und Regie ging es auf dem AG Dok Panel. Wie gehen wir mit traumatisierten Protagonist*innen um? Wie schützen wir sie – und uns selbst? Wie ehrlich sind wir in unserer eigenen Rolle? Vera Maria Brückner sprach offen darüber, selbst Teil ihres Films geworden zu sein – um die Frage nach Nähe und Distanz produktiv zu verschieben. „Regie heißt für mich, Verbündete zu sein.“
Andere erzählten von Geschichten, die nicht gesendet wurden, weil das Vertrauen verloren ging. Von Einverständnissen, die zurückgezogen wurden. Von Erben, Persönlichkeitsrechten, und der immerwährenden Frage: Wem gehört eine Geschichte – und wann darf sie erzählt werden?
Filmfestivals als Möglichkeitsräume
Im Rahmen des Dok.Fests fand auch das AG Filmfestival Treffen statt. Daniel Sponsel, Festivalleiter, brachte es auf den Punkt: Von den 105 Filmen im Programm werden nur 21 nach dem Festival weiter im Kino oder Fernsehen sichtbar sein. Umso wichtiger wird die Rolle der Festivals – nicht nur als Schaufenster, sondern als Netzwerke, Diskursräume und Resonanzorte.
Sie sind Bühnen für Filme, die sonst untergehen könnten – international wie regional. Orte der Verdichtung, der Begegnung, der Ko-Produktion. Und vielleicht auch des Widerstands: gegen das schnelle Wegklicken, gegen die Ökonomisierung aller Inhalte, gegen das Vergessen.
Was bleibt?
Für mich waren diese zwei Tage ein intensiver Resonanzraum. Sie haben Fragen gestellt, die weit über Branchendiskurse hinausreichen: Wie erzählen wir? Warum erzählen wir? Und was tun wir, wenn das Erzählen selbst zur Belastung wird?
Und am Ende bleibt vor allem Vorfreude – auf die Dokumentale, auf unseren d'Hub, auf all die Räume, in denen wir diese Themen weiterdenken und neue Ideen entwickeln können.